Wie sollen wir Obdachlosigkeit und Betteln begegnen?

Wie sollen wir Obdachlosigkeit und Betteln begegnen?

Reihe: Politik betrifft uns
Themengebiet: Deutschland , Lebenswelten von Jugendlichen , Sachthemen
Erscheinungsjahr: 2019
Beschaffenheit: Heft, DIN A4, perforiert, 28 Seiten, inkl. 2 farbige OH-Folien
Seitenzahl: 28
Produktnummer: 40-1905
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Produktinformationen "Wie sollen wir Obdachlosigkeit und Betteln begegnen?"

Armut ist in Deutschland oft unsichtbar. In der Begegnung mit Bettlerinnen und Bettlern sowie Obdachlosen bekommt sie dagegen ein Gesicht.Gebe ich hier Geld? Oder etwas anderes? Die vorliegende Einheit hat das Ziel, den Blick der Schülerinnen und Schüler auf einen Bereich der Gesellschaft zu lenken, der sonst eher übersehen wird.

 

Die vorliegende Unterrichtseinheit gliedert sich in drei Teile:

  • Der erste Teil schlägt eine Brücke zwischen der Lebenswelt der Schülerinnen und Schüler und der Welt Obdachloser. Obdachlose kommen zu Wort und die Sprachlosigkeit zwischen verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen wird direkt thematisiert.
  • Der zweite Teil stellt mögliche Lösungsansätze vor, wie beispielsweise Bettlern Geld zu geben und sozialer Wohnungsbau. Dieser Teil dient vor allem dem Training der Urteilskompetenz.

 

Über "Politik betrifft uns" – Unterrichtsmaterial für den Politikunterricht

„Politik betrifft uns“ ist eine Fachzeitschriftenreihe zur Unterrichtsvorbereitung in Politik, Sozialkunde, Gemeinschaftskunde bzw. Politische Bildung in der Sekundarstufe II.

Im Abonnement erscheint die Publikation sechsmal im Jahr. Dabei thematisiert eine jede Ausgabe tagesaktuelle Geschehnisse aus Gesellschaft, Politik oder Wirtschaft unter Berücksichtigung der Lehrpläne der Bundesländer.

Auf 28 Seiten wird eine komplette Unterrichtseinheit abgebildet. Aktuelle Texte, Statistiken, Interviews sind mit Aufgabenstellungen so aufbereitet, dass sie als Kopiervorlage direkt im Unterricht eingesetzt werden können. Die dazugehörigen Lösungen stehen Lehrerinnen und Lehrern im „Unterrichtsverlauf“ zur Verfügung. Eine Klausur mit Erwartungshorizont rundet jede Ausgabe ab.

Neben der gedruckten Form erscheint "Politik betrifft uns" auch digital. Online bekommen die Abonnentinnen und Abonnenten Zugriff auf die gesamte Ausgabe als PDF-Datei und editierbare WORD-Datei. So wird die Möglichkeit geboten, Arbeitsblätter für die jeweilige Lerngruppe anzupassen. Außerdem sind Bilder und Karikaturen online einzeln verfügbar, um diese mit Beamer oder interaktivem Whiteboard präsentieren zu können.

„Politik betrifft uns“ ist bestellbar als Zeitschriften- oder Online-Abonnement.
Zusätzlich besteht die Möglichkeit, mit einer erweiterten Schullizenz die Publikation in der Fachschaft und dem Schulnetzwerk zu nutzen.

Aus dem Inhalt


Diese Ausgabe enthält Unterrichtsmaterial zu folgenden Themen:

1. Teil: Was ist … Obdachlosigkeit in Deutschland?

  • Wenn ich einen Obdachlosen sehe …
  • Ist das Betteln?
  • Bettler – Wohnungsloser – Obdachloser – Penner
  • Obdachlosen begegnen
  • Obdachlose berichten
  • Miteinander ins Gespräch kommen – das Interview als
  • Was bedeutet es, obdachlos zu sein?
  • Warum werden Menschen obdachlos?
  • Ist Wohnungslosigkeit nur ein Randphänomen?
  • Obdachlosigkeit im Modell
  • Das Problemmodell
  • Fallen Obdachlose durch unser Analyseraster?
  • Sollte Obdachlosen geholfen werden?
  • Wer sollte Obdachlosen helfen?
  • Muss der Staat sich um Obdachlose kümmern?
  • Solidarität und Subsidiarität als Grundprinzipien des deutschen Sozialstaats
  • Dürfen „die“ das überhaupt?
  • Bettelbanden in den Medien
  • Internetquellen prüfen
  • Bettelbanden aus der Sicht von Wohlfahrtsverbänden und polizeilicher Statistik

2. Teil: Was ist möglich? Wie kann Obdachlosen geholfen werden?

  • … unless you’re helping them up
  • Soll ich Bettlern Geld geben?
  • Die goldene Regel
  • Der kategorische Imperativ EXTRA
  • Das muss auch mal gesagt werden …
  • Das Konfliktmodell
  • Soll das Betteln in Innenstädten verboten werden?
  • Wie ich Obdachlosen helfen würde
  • Wie der Staat Obdachlosen hilft
  • Sollen Gemeinden ein Baugebot erlassen?
  • Der Einzelne – Vereine und Verbände oder der Staat? Wer hilft Obdachlosen wirklich?

3. Teil: Klausurvorschlag

  • Sollen Obdachlosenzeltlager AKTUELL geräumt werden?

 

Einleitung

In größeren Städten sind sie kaum zu übersehen: Menschen, die mit großen, vollgestopften Taschen auf Parkbänken sitzen oder in Fußgängertunneln übernachten. Andere sitzen mit Pappschildern und Plastikbechern am Rand der Fußgängerzone oder bitten in der S-Bahn um Geld oder andere Unterstützung.

Armut ist in Deutschland oft unsichtbar. In der Begegnung mit Bettlerinnen und Bettlern sowie Obdachlosen bekommt sie dagegen ein Gesicht. Sie lässt sich nicht verdrängen und fordert in unseren verschiedenen Rollen als Mitmenschen und Staatsbürger/-innen eine Reaktion.

 

1. Armutsphänomene wahrnehmen und analysieren

Die in diesem Heft in den Mittelpunkt gestellten Personengruppen bilden nur einen Ausschnitt der in Deutschland von Armut betroffenen Menschen ab. Sie sind auch in sich keine homogene Gruppe. Als „wohnungslos“ bezeichnet man (gemäß der in Fachkreisen üblichen und auch in diesem Heft verwendeten ETHOS-Definition) Menschen, die nicht in selbst genutztem Wohneigentum oder einem durch Mietvertrag abgesicherten Wohnraum leben. Nur ein Teil von ihnen ist tatsächlich „obdachlos“ – also darauf angewiesen, im öffentlichen Raum oder Notunterkünften zu übernachten. Nicht jeder, der bettelt, ist obdachlos – und umgekehrt. Neben der finanziellen Armut wird die persönliche Situation durch eine Vielzahl variierender Faktoren bestimmt. Beispielsweise können Krankheit, Sucht, Behinderung oder Migration das Leben Obdachloser zusätzlich beeinflussen. Seit der Gewährung der Freizügigkeit für Bürger/-innen osteuropäischer EU-Mitgliedsstaaten hat die Präsenz von Bettler/-innen und Bettlern aus diesen Ländern in Mitteleuropa stark zugenommen. Viele von ihnen gehören Minderheitsgruppen wie den Roma an, die in ihren Heimatländern massiv diskriminiert werden. Verbreitet ist eine sogenannte „Pendelmigration“, bei der sich Menschen jeweils einen bestimmten Zeitraum zum Betteln oder zur Arbeitssuche in Deutschland aufhalten, um dann wieder die Familie im Herkunftsland zu unterstützen. In diesem Zusammenhang kommt es sicher auch zur Ausbeutung von Abhängigkeitsverhältnissen. Sogenannte „Bettelbanden“ sind jedoch polizeilich nicht nachgewiesen und jedenfalls sicher weniger verbreitet, als dies durch die mediale Berichterstattung oft suggeriert wird.

Insgesamt gilt, dass Betteln und Obdachlosigkeit statistisch nicht zuverlässig erfasst werden. Gemeinsam haben Obdachlose sowie Bettlerinnen und Bettler, dass an ihnen das Thema Armut sichtbar wird. Durch ihre exponierte Stellung im öffentlichen Raum sind sie besonders verwundbar. Häufig werden sie Opfer von Gewalttaten. Für den Zeitraum 2010–2018 sind für Deutschland im Schnitt jährlich 20 Todesfälle Obdachloser als Folge von Gewalttaten dokumentiert, wobei von einer höheren Dunkelziffer ausgegangen werden muss. Damit korrespondiert eine erschreckend weit verbreitete Abwertung obdachloser Menschen. So stimmten in einer Studie der Universität Bielefeld aus dem Jahr 2012 30,4% dem Satz zu: „Die meisten Obdachlosen sind arbeits-scheu.“ 35,4% unterstützten die Forderung, „bettelnde Obdachlose sollten aus den Fußgängerzonen entfernt werden“. In diesen Haltungen findet eine oft mit Angst und Unverständnis verbundene Abwehrreaktion gegen Lebensweisen, die als fremd und „unnormal“ empfunden werden, einen Ausdruck.

 

2. Obdachlosigkeit und Betteln als Handlungsimpuls

Gebe ich Geld? Oder etwas anderes? Antworte ich auf eine Ansprache oder versuche ich, die Person zu ignorieren? Solche Fragen muss entscheiden, wer im öffentlichen Raum meist ungewollt und oft unvermittelt einer bettelnden Person begegnet. Insofern stellen diese zunächst eine Handlungsherausforderung dar, die auf der Mikroebene individueller Entscheidungen bearbeitet werden muss.

Vermittelt dadurch stellen sich auch Fragen, wie auf der politischen Makroebene Ursachen sozialer Notlagen bekämpft und Menschen in akuten Notlagen unterstützt werden können. Die zentrale Frage nach dem Umgang mit der Wohnungsknappheit, die aber im Kontext weiterer wirtschafts- und sozialpolitischer Herausforderungen auf nationaler und europäischer Ebene zu betrachten ist, stellt sich insbesondere in Ballungsgebieten.

Die Unterstützung in Not geratener Menschen erfolgt in Deutschland zumeist durch die Kommunen bzw. durch die Träger der freien Wohlfahrtspflege, sodass für diese Fragestellung in erster Linie die Mesoebene gesellschaftlicher Organisationen in den Blick zu nehmen ist. Deren Unterstützungsangebot ist zum einen präventiv, zielt also darauf, dass individuelle Risikofaktoren (wie Krankheit, familiäre Konflikte oder Sucht) trotz struktureller Faktoren (allgemeine Wohnungsknappheit) nicht zur Entstehung von Wohnungslosigkeit führen. Zum anderen soll die Arbeit mit wohnungslosen und bettelnden Menschen diese in ihrer Lebensführung unterstützen.

Kompetenzerwerb der Schülerinnen und Schüler

Die vorliegende Einheit hat das Ziel, den Blick der Schülerinnen und Schüler auf einen Bereich der Gesellschaft zu lenken, der sonst eher übersehen wird. Gleichzeitig will sie Analysemodelle und Methoden bereitstellen, die es den Schülerinnen und Schülern erleichtern, gesellschaftliche Phänomene zu verstehen und sich zu ihnen zu positionieren. Um diese Ziele zu erreichen, gliedert sich die Einheit in zwei Teile:

Der erste Teil dient zunächst der Problemwahrnehmung. Dabei gilt es zunächst, eine Brücke zwischen der Lebenswelt der Schülerinnen und Schüler und der Obdachloser zu schlagen. Die Materialien M 1.1 bis M 1.3 beziehen sich dazu zunächst auf die Schüler, indem sie deren Vorerfahrungen aufgreifen und sie dabei unterstützen, ihre Wahrnehmungen begrifflich zu schärfen. Das Gegenstück dazu stellen M 1.5 und M 1.6 dar, in denen Obdachlose direkt zu Wort kommen. Der Kurzfilm „Kleingeld“, der die Sprachlosigkeit zwischen verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen direkt thematisiert, kann mithilfe von M 1.4 bearbeitet werden. Das Interview (M 1.6) bietet dann die methodische Brücke zur Verbindung der beiden Welten. In jüngeren Klassen können die Ergebnisse mithilfe von M 1.10 zusammengeführt werden. Nach M 1.10 können anschließend die Teile M 1.12 und M 1.14 bearbeitet werden, die eine erste Positionierung der Schülerinnen und Schüler verlangen und so die Überleitung zu möglichen Lösungsansätzen bieten. Zur weiteren Stärkung von Analyse- und Methodenkompetenz in älteren Klassen ist es möglich, die weiteren Materialien des Teils einzusetzen. Zur Stärkung der Analysekompetenz bieten die Materialien M 1.7; M 1.10 und M 1.12 Modelle an, die dabei helfen, das Phänomen abstrakter darzustellen und zu erklären. Gleichzeitig thematisieren M 1.14 bis M 1.19 den institutionellen und gesellschaftlichen Rahmen, innerhalb dessen das Problem bearbeitet wird. Sie weiten so den Blick der Schülerinnen und Schüler und bereiten eine differenziertere Urteilsbildung vor.

Methodenkompetenz wird gestärkt, indem mit theoretischen Modellen gearbeitet oder verschiedene Formen der Informationsgewinnung genutzt werden. Dazu bieten die Materialien M 1.6; M 1.9; M 1.10 und M 1.17 die Möglichkeit, angewandte Methoden und Verfahren kritisch zu reflektieren.

Nachdem der erste Teil der Einheit die Schülerinnen und Schüler für das Thema sensibilisiert hat und ihnen die Möglichkeit gegeben hat, ein Verständnis davon zu entwickeln, stellt der zweite Teil mögliche Lösungsansätze vor. Dabei können abhängig von der Klassensituation einzelne Lösungsansätze herausgegriffen oder alle bearbeitet werden.

Die ausgewählten Lösungsmöglichkeiten knüpfen an drei der in M 1.14 benannten Akteure an: Die Möglichkeit, Bettelnden Geld zu geben (M 2.1–M 2.3) hat jeder von uns, die Bettelverbote (M 2.4) kann nur der Staat durchsetzen. Auch der soziale Wohnungsbau (M 2.8) fällt vornehmlich in die Zuständigkeit des Staates, der zudem Rechte garantiert (M 2.7) und Angebote fördert, auch wenn diese von sozialen Trägern (M 2.7; M 2.9) angeboten werden. Durch diese Anknüpfung an die verschiedenen Akteure bieten die Lösungsvorschläge die Möglichkeit, den Schülerinnen und Schülern die Mikro-, Makro- und Mesoebene der Gesellschaft zu verdeutlichen. Dabei verbindet M 2.7 die Ebenen und knüpft so an das Subsidiaritätsprinzip an.

Die Handlungskompetenz trainiert die Einheit vor allem auf der Mikroebene, wenn konkrete Handlungsvorschläge entwickelt werden.

Der zweite Teil dient vor allem dem Training der Urteilskompetenz. Um die Schülerinnen und Schüler auf ihrem Weg weg vom reinen Eigeninteresse hin zum multiperspektivischen und kriteriengestützten Urteil unterstützen zu können, können im Rahmen der Behandlung von M 2.8 das Konfliktmodell (M 2.5), das Kriterienraster zur Urteilsbildung (M 2.6) verwendet werden, oder es können die Basiskonzepte (nach dem Bildungsplan 2016 Baden-Württemberg; Gemeinschaftskunde) verwendet werden.


Aus dem Inhalt


  • 1. Teil: 1. Teil: Was ist ? Obdachlosigkeit in Deutschland?
  • 2. Teil: Was ist möglich? Wie kann Obdachlosen geholfen werden?
  • M 2.3 E Der kategorische Imperativ
  • M 2.A Klausur: Sollen Obdachlosenzeltlager geräumt werden?