Urteilen
Urteilen
Reihe: | Politik betrifft uns |
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Themengebiet: | Lebenswelten von Jugendlichen , Sachthemen |
Erscheinungsjahr: | 2018 |
Beschaffenheit: | Heft, DIN A4, perforiert, 28 Seiten, inkl. 2 farbige OH-Folien |
Seitenzahl: | 28 |
Produktnummer: | 40-1806 |
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In der politischen Bildung ist es unumstritten, dass es wichtig ist, Menschen einen Rahmen zu bieten, damit sie selbst ihre Urteilskompetenz stärken können. Ihre Schülerinnen und Schüler sollen im analytischen Sinn genauer hinsehen und ihre Werte, die sie im Urteil vertreten, offenlegen und begründen können. Sie sollen lernen, Entscheidungen nicht isoliert und monokausal zu betrachten, sondern Wechselwirkungen, die sich durch eine Entscheidung mit anderen Bereichen ergeben, zu beachten und bei der eigenen Urteilsbildung zu berücksichtigen. Um einem Urteil eine analytische Struktur zu geben, müssen die Jugendlichen außerdem mit Kriterien arbeiten.
Die vorliegenden Unterrichtseinheit gliedert sich in drei Teile:
Im ersten Teil wird das politische Problem bearbeitet, das als Grundlage der Urteilsbildung dienen soll. Es geht um die Frage, ob der öffentliche Personennahverkehr in Zukunft kostenlos angeboten werden soll.
Im zweiten Teil geht es darum, die Problemstellung zu bewerten.
Im dritten Teil der Unterrichtsreihe müssen Schülerinnen und Schüler selbstständig ein anderes politisches Problem bewerten und dadurch ihre Urteilsbildung trainieren. Im Zentrum steht hier die Frage, ob Fahrverbote für Dieselfahrzeuge helfen, die Luftqualität zu verbessern und das Problem der hohen Emissionsbelastungen zu lösen.
Über "Politik betrifft uns" – Unterrichtsmaterial für den Politikunterricht
„Politik betrifft uns“ ist eine Fachzeitschriftenreihe zur Unterrichtsvorbereitung in Politik, Sozialkunde, Gemeinschaftskunde bzw. Politische Bildung in der Sekundarstufe II.
Im Abonnement erscheint die Publikation sechsmal im Jahr. Dabei thematisiert eine jede Ausgabe tagesaktuelle Geschehnisse aus Gesellschaft, Politik oder Wirtschaft unter Berücksichtigung der Lehrpläne der Bundesländer.
Auf 28 Seiten wird eine komplette Unterrichtseinheit abgebildet. Aktuelle Texte, Statistiken, Interviews sind mit Aufgabenstellungen so aufbereitet, dass sie als Kopiervorlage direkt im Unterricht eingesetzt werden können. Die dazugehörigen Lösungen stehen Lehrerinnen und Lehrern im „Unterrichtsverlauf“ zur Verfügung. Eine Klausur mit Erwartungshorizont rundet jede Ausgabe ab.
Neben der gedruckten Form erscheint "Politik betrifft uns" auch digital. Online bekommen die Abonnentinnen und Abonnenten Zugriff auf die gesamte Ausgabe als PDF-Datei und editierbare WORD-Datei. So wird die Möglichkeit geboten, Arbeitsblätter für die jeweilige Lerngruppe anzupassen. Außerdem sind Bilder und Karikaturen online einzeln verfügbar, um diese mit Beamer oder interaktivem Whiteboard präsentieren zu können.
„Politik betrifft
uns“ ist bestellbar als Zeitschriften- oder Online-Abonnement.
Zusätzlich besteht die Möglichkeit, mit einer erweiterten Schullizenz die
Publikation in der Fachschaft und dem Schulnetzwerk zu nutzen.
Aus dem Inhalt
Diese Ausgabe enthält Unterrichtsmaterial zu folgenden Themen:
1. Teil: Stau und schlechte Luft? Mobilität in deutschen Städten
- Das Problem: Autos, Autos, Autos
- Umweltbewusstsein in Deutschland
- Wie soll die Mobilität der Zukunft aussehen?
- Problemanalyse EXTRA
- Die Lösung: Ein kostenloser öffentlicher Nahverkehr?
- Kontroverse Pro: Soll der öffentliche Nahverkehr kostenlos sein?
- Kontroverse Kontra: Soll der öffentliche Nahverkehr kostenlos sein?
- Entscheidung: Soll der öffentliche Nahverkehr kostenlos sein?
2. Teil: Politische Urteile fällen – wie geht das?
- Politische Probleme aus unterschiedlichen Perpektiven betrachten
- Bei einem Urteil Wechselwirkungen berücksichtigen
- Bei einem Urteil Wechselwirkungen berücksichtigen – Unterstützungshilfen
- Bei einem Urteil Kriterien anwenden
- Urteilskriterien im Überblick
- Bei einem Urteil Kriterien anwenden – Unterstützungshilfen
- Arbeitsblatt: Vorüberlegungen zum politischen Urteil
3. Teil: Freies Traing: Sollen Dieselfahrverbote erlassen werden?
- Karikatur: Wozu ein Dieselverbot?
- Ein politisches Urteil fällen: Sollen Dieselfahrverbote erlassen werden?
- Quellen der Luftbelastung
- Arbeitsblatt: Schritt für Schritt zum politischen Urteil
- Klimapolitik: Müssen wir weniger Auto fahren? AKTUELL
- Urteilen: Übung EXTRA
Einleitung
„Unser Kopf ist rund, damit
das Denken seine Richtung wechseln kann.“
Francis Picabia
In der politischen Bildung ist es unumstritten, dass es wichtig ist, Menschen
zur Urteilsbildung zu befähigen oder vorsichtiger formuliert: ihnen einen
Rahmen zu bieten, damit sie selbst ihre Urteilskompetenz stärken können.
Ein Urteil ist die Aussage eines Menschen über politische, gesellschaftliche
oder auch ökonomische Sachverhalte oder Kontroversen. Durch ein Urteil
positioniert sich ein Mensch, er nimmt Stellung und legt sich fest, wie in
einer politischen Kontroverse entschieden werden soll. Dadurch definiert jeder
Mensch durch Urteile sein Verhältnis zur Welt der Politik. Ein Urteil ist also
immer subjektiv und es enthält eine Weltdeutung. Wir geben der Welt eine
Struktur, die uns Orientierung gibt, und versuchen so die unglaublich komplexe
politische Realität zu verstehen. Ohne Urteile sind wir orientierungslos. Und
wenn wir unser Urteil nie verändern: ahnungslos, da sich die Welt andauernd
verändert.
Warum sind Urteile in der politischen Bildung so wichtig? Menschen sind
mit einer Welt konfrontiert, die sie kognitiv überfordert. Wir können die
politische Welt an sich nicht erfassen. Wir sind gezwungen zu bewerten,
zuzustimmen, zu verwerfen, um der Welt eine Struktur zu geben. Oft ist diese
Struktur sehr einfach in Gut und Böse aufgeteilt. Diese Erklärungsmuster und
Begründungen zu verfeinern, ist eine wesentliche Aufgabe der politischen
Bildung.
Warum sind Vorurteile so stabil und verbreitet? Mithilfe von Urteilen
erschließen wir uns die Welt. Vorurteile bzw. wenig komplexe Urteile können aus
subjektiver Sicht oftmals sehr viel erklären und bieten dadurch sehr viel
„Orientierung“. Je einfachen der Erklärungsansatz, desto leichter kann man es
sich gedanklich machen und sich selbst eine Welt formen, die überschaubar ist.
Diese „Einfachheit“ im Denken macht auch vor hohen Staatsämtern nicht halt:
„When a country (USA) is losing many billions of dollars on trade with
virtually every country it does business with, trade wars are good, and easy to
win. Example, when we are down $ 100 billion with a certain country and they
get cute, don’t trade anymore-we win big. It’s easy!“
„Handelskriege sind gut und leicht zu gewinnen“, twittert etwa der
US-Präsident Donald Trump in die Welt. Damit erklärt er sehr viel mit sehr
wenig. Ein komplexeres und differenzierteres Urteil ist viel schwieriger zu
formulieren und zu vermitteln. Die Welt kann aber in ihrer Komplexität nicht
mit einfachen Denkmustern erklärt werden.
Wie kann man die Qualität eines Urteils messen? Menschen können beim
Urteilen durchaus zum gleichen Ergebnis kommen und sich für die gleiche
Maßnahme aussprechen. Die Qualität der Urteile kann aber sehr unterschiedlich
sein. Entscheidend bei einem Urteil ist nicht das Ergebnis, sondern die Art und
Weise, wie das Ergebnis begründet wird. Ein Zuwachs an Qualität zeigt sich
demnach in der Komplexität der Begründungsmuster und der Tiefe der Reflexion.
Die Lerngruppe soll im analytischen Sinn „genauer hinsehen“ und ihre Werte, die
sie im Urteil vertritt, offenlegen und begründen können.
Eine höhere Komplexität eines Urteils kann erreicht werden, indem man
politische Sach- und Problemlagen aus unterschiedlichen Perspektiven
betrachtet. Dabei geht es darum, die eigene Weltsicht, die individuelle
Perspektive auf politische Konflikte zu erweitern und andere Perspektiven
wahrzunehmen. Außerdem sollen die Auswirkungen politischer Entscheidungen auf
gesamte Systeme betrachtet werden, z.B.: Wie wirkt sich eine Entscheidung
auf die Akzeptanz der Demokratie aus? Oder: Wird das Vertrauen in politische
Institutionen gestärkt?
Darüber hinaus sollen Schülerinnen und Schüler lernen, Entscheidungen nicht
isoliert und monokausal zu betrachten, sondern Wechselwirkungen, die sich durch
eine Entscheidung mit anderen Bereichen ergeben, zu beachten und bei der
eigenen Urteilsbildung zu berücksichtigen. So ergeben manche Entscheidungen
ökonomisch betrachtet durchaus Sinn, sie haben aber gleichzeitig negative
Auswirkungen auf die Gesellschaft bzw. die Politik. Dies stellt hohe
Anforderungen an Schülerinnen und Schüler, denn sie sollen politische Prozesse
vernetzt erfassen und auch nicht-intendierte Folgen politischer Entscheidungen
in ihre Urteilsbildung einbeziehen können.
Um einem Urteil eine analytische Struktur zu geben, müssen die Jugendlichen mit
Kriterien arbeiten. Sie sollen überprüfen, ob eine Entscheidung effektiv und
effizient ist, ob sie dem geltenden Recht entspricht (Legalität) und ob sie
gerecht und moralisch vertretbar ist (Gerechtigkeit/Legitimität). Dadurch
wird die Lerngruppe zu einer gedanklichen Klarheit gezwungen und die
Begründungsmuster der Urteile werden transparenter. Somit sind sie im Unterricht
einfacher zu vergleichen.
Kann man Urteilen lernen? Oftmals verbinden Menschen mit dem Begriff
„Urteil“ ein Expertenurteil. Ein Expertenurteil bringt Finalität zum Ausdruck,
z.B. bei einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Es impliziert einen Prozess
der intensiven Auseinandersetzung mit einem Gegenstand, z.B. in Form eines
wissenschaftlichen Diskurses oder in einem langen Gerichtsverfahren.
Umgangssprachlich hat sich diese Auffassung in einem Satz verfestigt, den dann
„Laien“ wie folgt äußern: „Darüber kann ich mir kein Urteil erlauben!“. Wenn
dies so wäre, dann könnten Schülerinnen und Schüler eigentlich nicht urteilen.
Von Finalität eines Reflexionsprozesses kann bei ihnen oftmals keine Rede sein.
Sie stehen meist am Anfang einer Auseinandersetzung mit einem politischen
Problem. Sie sind zu Beginn nicht vertraut mit der Komplexität eines Problems
und häufig sehr stark gefordert oder auch überfordert. Dennoch müssen sie
urteilen, denn ohne eigene Position, ohne eigenes Urteil sind wir alle orientierungslos.
Auch die Fähigkeit zum Urteilen eignet man sich durch einen Lernprozess an. Der
Weg zu einem kompetenteren Urteil führt über viele Trainingssituationen, in
denen Urteilen geübt wird. Die Urteilsbildung stellt einen Zyklus dar, bei
dessen Durchlaufen sich die individuelle Urteilskompetenz qualitativ
anreichert. Fehler zu machen und durch Präkonzepte geprägte Urteile zu
formulieren, sind notwendige und integrale Bestandteile des Lernens. Das
Fehlurteil gehört zum Urteilen dazu. Wir lernen, indem wir Fehlurteile und
Vorurteile revidieren und dann unsere Urteile kognitiv und normativ komplexer
gestalten. Wenn die Jugendlichen sagen: „Das gibt mir zu denken“, dann sind sie
gerade dabei, ihr Urteil und damit ihre Weltsicht zu modifizieren. Und dies kann
nur jeder einzelne Mensch für sich alleine tun: Ein Urteil hat so lange
Bestand, bis es von uns persönlich dekonstruiert wird.
Deswegen brauchen Schülerinnen und Schüler Anlässe, ihre eigenen Urteile zu
überprüfen und zu erweitern. Die Urteilsbildung muss deshalb ein zentraler
Bestandteil des Politikunterrichts sein, und dieser Prozess muss auf Dauer
angelegt sein, da er nie endet – weder in der Schule noch im Leben danach.
Kompetenzerweiterung
Die Unterrichtseinheit dient der Stärkung der Urteilskompetenz
der Schülerinnen und Schüler. Ihr Lernprozess ist damit aber natürlich noch
nicht abgeschlossen, sondern das zentrale Ziel dieser Einheit – die Stärkung
der Urteilskompetenz der Schülerinnen und Schüler – bleibt für den weiteren
Unterricht bestehen.
Dieses Heft ist als Trainingsheft angelegt. Das bedeutet, dass die Inhalte
dienende Funktion haben. Sie sind austauschbar und die Befähigungen, die die
Schülerinnen und Schüler erlernen, sollen übertragbar auf andere Themen und
politische Konflikte sein. Wünschenswert wäre es, wenn Schülerinnen und Schüler
im Laufe der Einheit ein kognitives Instrumentarium zur Urteilsbildung
erlernen, das sie selbstständig auf weitere Problemstellungen übertragen können
und das ihnen mehr Sicherheit bei der Formulierung ihrer politischen Urteile
gibt.
Die vorliegende Unterrichtseinheit zum Thema „Urteilen“ ist in drei Teile
gegliedert.
Im ersten Teil wird das politische Problem bearbeitet, das als Grundlage
der Urteilsbildung dienen soll. Es geht um die Frage, ob der öffentliche
Personennahverkehr in Zukunft kostenlos angeboten werden soll. Dies wirft
natürlich eine Vielzahl von Fragen auf, die in einer ersten Annäherung geklärt
werden müssen: Wie kann die Finanzierung dieses Projektes gesichert werden? Die
Gemeinden alleine können diese Aufgabe sicherlich nicht stemmen.
Der Autoverkehr stellt viele Städte vor große Probleme. Die Menschen verbringen
sehr viel Zeit im Stau und oftmals quält sich eine nicht enden wollende
Blechlawine durch die Straßen. Damit verbunden sind Zeitverlust, Stress und
Abgase, die die Luftqualität massiv verschlechtern. Die Frage „Wie können die
Lebensbedingungen in den betroffenen Städten verbessert werden?“ verdeutlicht
den politischen Handlungsdruck. Am Ende des ersten Teils sollen Schülerinnen und
Schüler die Frage, ob der Nahverkehr kostenlos sein sollte, erörtern können.
Im zweiten Teil geht es darum, die Problemstellung zu bewerten. Dazu
werden verschiedene Herangehensweisen eingeübt: der Perspektivwechsel, die
Analyse von Wechselwirkungen und der Umgang mit Urteilskriterien.
Im dritten Teil der Unterrichtsreihe müssen Schülerinnen und Schüler
selbstständig ein anderes politisches Problem bewerten und dadurch ihre
Urteilsbildung trainieren. Es geht inhaltlich weiterhin um die individuelle
Mobilität und wie Städte mit den hohen Schadstoffbelastungen umgehen sollen. Im
Zentrum steht die Frage, ob Fahrverbote für Dieselfahrzeuge helfen, die
Luftqualität zu verbessern und das Problem der hohen Emissionsbelastungen zu
lösen.
Aus dem Inhalt
- 1. Teil: Stau und schlechte Luft? Mobilität in deutschen Städten
- 2. Teil: Politische Urteile fällen - wie geht das?
- 3. Teil: Freies Traing: Sollen Dieselfahrverbote erlassen werden?